Der neueste Wurf im Hause Canyon hört auf den Namen “Lux Trail”. Solch eine Namensgebung kann kein Zufall sein: Nirgends sonst werden technische Dinge so akkurat betitelt wie in Deutschland. Lenkanschlagsbegrenzer, um nur ein Beispiel zu nennen. Steckt im neuen 120-Millimeter-Fully des deutschen Versenders Canyon also wirklich so viel “Trail”, wie der Name suggeriert? Das haben wir in einem ausführlichen Praxistest des Canyon Lux Trail CFR herausgefunden. Natürlich haben wir in unserem BIKE-Testlabor auch allerlei Daten zum neuen Carbon-Flitzer von Canyon ermittelt.
Im neuen Canyon Lux Trail steckt definitiv mehr, als ein asketischer Racer. | Foto; Max Fuchs
Details des neuen 120-Millimeter-Bikes von Canyon
Bei unserer Geometriemessung des Canyon Lux Trail CFR erfolgt die erste Überraschung: Gewachsen ist das neue Lux Trail nicht. Dafür hat der Federweg mit neuerdings 120 Millimetern (BIKE-Messung) am Heck leicht zugelegt. Radstand und Kettenstrebenlänge bewegen sich im Vergleich zum Vorgänger innerhalb weniger Millimeter. Reach und Oberrohrlänge sind gar minimal geschrumpft. Zugegeben: Das alte Modell war bereits auffallend lang konzipiert. Trotz der zusätzlichen Features wiegt der Carbon-Rahmen nur 70 Gramm mehr. In der Ausstattungsvariante Canyon Factory Racing (CFR) bleibt die Laborwaage schon bei 11,2 Kilo stehen.
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Foto: Max FuchsDank neuer Kinematik soll sich der Hinterbau des Canyon Lux Trail nun nach mehr Federweg anfühlen.
Der BIKE-Test klärt auf: Was für ein Bike ist das Canyon Lux Trail 2024?
Als Canyon seinem Racebike Lux vor eineinhalb Jahren erstmals einen Trail-Bruder mit mehr Federwegsreserven an die Seite stellte, passte dieser nach Einschätzung unserer Tester perfekt zum damals neuen Trend Down Country. Inzwischen ist aus dieser Nische Normalität geworden. Doch wie bei einem Teenager in der Pubertät hat auch bei dieser neuen Bike-Kategorie die kurze Zeit nicht ausgereicht, um ihre Identität zu festigen. Irgendwo zwischen Marathon-Racefully und kurzhubigem Trailbike verbirgt sich ihr wahres Wesen. Welchen Platz wird die Neuauflage des Canyon Lux Trail in dieser Bike-Welt einnehmen?
Verlagssonderveröffentlichung
Foto: Max FuchsIm neuen Staufach des Canyon Lux Trail verbirgt sich neben einer Werkzeugtasche auch eine CO2-Kartusche.
Für 6999 Euro ist unser Canyon Lux Trail CFR Test-Bike ohne Frage ein interessanter Deal. Nur kleine Details trüben die ansonsten hochwertig-funktionale Ausstattung. Beim Einsetzen der Tasche ins Rahmenstaufach ist Geduld gefragt, und der weiche Ergon-Sattel ist Geschmackssache. Ebenfalls aus dem Hause Ergon stammen die dicken Griffe, welche trotz fehlender Schraubklemmung mit Dämpfung geizen. Zahlreiche Clips halten die vielen Kabel vor ihrem Eintritt in den Steuersatz unter Kontrolle. Das funktioniert gut: Auch in ruppigen Sektionen bleibt das Lux Trail schön leise.
Foto: Max FuchsAm Canyon Lux Trail CFR spart eine Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon Gewicht ein.
Das Canyon Lux Trail: Ein sportlicher Abfahrer
Agil und wendig gewinnt das neue Canyon Lux Trail auf verwinkelten Trails schnell die Herzen der Tester. Mit seiner Länge lässt sich das Bike hervorragend kontrollieren. Leichtfüßig geht es durch Engstellen hindurch. Besonders die 50 Millimeter kurze und 760 Millimeter breite Carbon-Einheit aus Vorbau und Lenker tut dem Handling gut. Feinfühlig spricht das Fahrwerk an und bügelt auch kleine Unebenheiten aus dem Untergrund. Wird die Piste gröber, stößt die progressive Kinematik des Hinterbaus jedoch an ihre Grenzen.
Foto: Max FuchsSportlich und schnell liegt das neue 120-Millimeter-Fully von Canyon auf dem Trail.
Selbst mit softem Setup ohne Volumespacer und bei großen Kompressionen lässt sich der volle Federweg des neuen Canyon Lux Trail CFR kaum ausnutzen. In Kombination mit dem nur mäßig flachen Lenkwinkel ist der Fahrer auf steilen und rauen Trails ganz schön gefordert. Trotz ihrer Breite beschneiden die Cross-Country-Reifen mit wenig Dämpfung und Grip früh das Kontrollgefühl. Mit einer guten Fahrtechnik und einer Portion Mut meistert das 120-Millimeter-Bike – zumindest bei trockenen Streckenverhältnissen – jedoch auch Abfahrten bis ins Enduro-Terrain hinein.
Foto: Max FuchsAuf langen Touren und bei Marathons sind die zwei Flaschenhalter des Canyon Lux Trail Gold wert.
Wenn es bei mäßigem Gefälle und über wellige Trails gilt, die Geschwindigkeit zu halten, schlägt die Sternstunde des reaktiven Canyon Lux Trail. Dann begeistert der sportliche Charakter mit viel Speed und macht richtig Laune. Mit ordentlich Gegenhalt animiert dann auch das Fahrwerk dazu, an jeder Wurzelkante abzuziehen und den ein oder anderen Sprung mitzunehmen.
Foto: Max FuchsLäuft schnell, bietet aber wenig Grip: Der Schwalbe Racing Ralph Reifen am Heck des Canyon Lux Trail CFR.
Vor allem bei schnellen Temporitten durch die Ebene und bei Sprint-Einlagen am Berg begeistert das geringe Gewicht des neuen Canyon Fullys. Schön, dass sich die Neuauflage trotz aller Zusatz-Features diese Kompetenz seiner Racebike-Geschwister erhalten hat. Am flotten Vortrieb haben nicht nur die schnellen Schwalbe-Reifen, sondern auch die Carbon-Laufräder von DT Swiss einen großen Anteil. Trotz aller Leichtigkeit bringen Kaufinteressierte besser dicke Oberschenkel mit, denn Canyon spezifiziert ab Werk ein großes Kettenblatt mit 34 Zähnen.
Foto: Max FuchsEine minimalistische Kettenführung hält den Antriebsstrang des neuen Canyon MTB an Ort und Stelle.
Trail-Fully mit Sportfahrwerk
Ein weiterer Tribut an die Sportlichkeit sitzt beim neuen Canyon Lux Trail linksseitig unter dem Lenker. Mit Hilfe des kleinen Hebels lässt sich die Plattformdämpfung des Hinterbaus vom co*ckpit aus steuern. In der offenen Position nickt das Heck beim Treten beständig mit. Um das Federbein gänzlich ruhigzustellen, reicht die mittlere Plattform selbst im Sitzen nicht aus. In der Alltagspraxis der meisten Biker sind diese kleinen Einbußen bei der Effizienz aber vernachlässigbar. Die volle Blockierung der dritten Stufe werden nur Rennfahrer im Sprint wirklich benötigen. Während der Lockout-Hebel quasi in der Pole-Position sitzt, platziert Canyon den Remote der Vario-Stütze in einer weniger ergonomischen Position oberhalb des Lenkers. In der Praxis wären die meisten Biker wohl mit der umgekehrten Anordnung besser beraten.
Foto: Max FuchsMit der Hebel-Konstellation am co*ckpit des Canyon Lux Trail CFR konnten wir uns nicht recht anfreunden.
Apropos Sattelstütze: Die Fox Transfer SL schafft mit 150 Millimetern Hub zwar ordentlich Platz über dem Oberrohr des Canyon Lux Trail, lässt sich aber nur voll ein- oder ausfahren. Eine Zwischenposition gibt es nicht. Zudem zeigt sich die Leichtbaustütze störanfällig. Bleibt man beim Ausfahren mit dem Bein etwas am Sattel hängen, schafft es die Luftfeder nicht, den Kolben in die oberste Einrastposition zu schieben. Es bleibt nur die erneute Absenkung und ein zweiter Versuch – nervig!
Foto: Max FuchsLeider besitzt die leichte Fox Transfer SL Variostütze keine Zwischenposition.
Am Ende des Tages bleibt das neue Lux Trail CFR aufgrund seines Fahrwerks und der Ausstattung dann doch mehr Race- als Trailbike. Wir finden: gut so. Denn als Trailbike führen die Koblenzer weiterhin das Neuron im Programm. Wenn wir also bei der deutschen Gründlichkeit bleiben, wäre die passendere Bezeichnung für den Neuling wohl eher “Canyon Lux Down Country”. Aber was soll’s? Schließlich sind weder Blindschleichen blind, noch Flusspferde näher mit Pferden verwandt.
Foto: Max FuchsCanyon versteckt fast alle Schrauben am Hinterbau des neuen Fullys geschickt und sorgt damit für eine aufgeräumte Optik.
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Technische Daten und Noten zum Canyon Lux Trail CFR
Herstellerangaben
- Kategorie: Downcountry
- Preis¹: 6999 Euro
- Erhältlich über: Versender
- Rahmenmaterial: Carbon
- Laufradgröße: 29 Zoll
Foto: Max FuchsEin Gummiband hält das Multitool unter dem Oberrohr des neuen Canyon Bikes in seiner Position.
Messwerte
- Federweg: 120 mm (vorne) / 120 mm (hinten)
- Gewicht ohne Pedale: 11,16 kg
- Rahmengewicht: 2137 g
- Gewicht Laufräder: 3993 g
- Beschleunigung Laufräder: 3221,12 kg x cm²
- Lenkerbreite: 760 mm
- Rahmensteifigkeit (absolut): 44 N/mm
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Foto: Max FuchsCanyon setzt am Lux Trail auf einen Flatmount-Bremssattel und eine kleine 160-Millimeter-Bremsscheibe hinten.
Ausstattung
- Laufräder: DT Swiss XRC 1200 Spline 30mm
- Reifen: Schwalbe Wicked Will Evo Addix Speedgrip / Racing Ralph Evo Addix Speed Super Race TLE, 29 x 2,4 / 2,35
- Gabel: Fox 34 Float Factory SC
- Dämpfer: Fox Float SL Factory
- Bremsen / Ø: Shimano XTR / 180/160 mm
- Schaltung: Shimano XTR
- Übersetzung / Bandbreite: 34; 10–51 / 510 %
- Teleskopsattelstütze / Hub: Fox Transfer Factory / 150 mm
Foto: Max FuchsOptisch weiß das neue Canyon CFR Trail co*ckpit zu gefallen.
Bewertung
- Fahrverhalten bergauf: 27 von 30
- Effizienz Fahrwerk: 20 von 25
- Rollwiderstand: 12,75 von 15
- Gewicht: 17,5 von 25
- Trägheit Laufräder: 9 von 15
- Flaschenhalter: 9 von 10
- Fahrverhalten bergab: 25,5 von 30
- Federung hinten: 12,75 von 15
- Federung vorne: 10 von 10
- Versenkbarkeit Sattel: 10 von 10
- Bremsen: 9 von 10
- Reifen-Grip: 13,5 von 15
- Fahrstabilität: 3 von 10
GESAMT BERGAUF: 95,25 von 120
GESAMT BERGAB: 83,75 von 100
- Sonstiges: 28 von 30
- Wartungsfreundlichkeit: mittel
BIKE-Testurteil²: super - 207 von 250 Punkten
Foto: Max FuchsTypisch Canyon: Der ausziehbare Hebel in der Hinterradachse erleichtert den Radausbau.Foto: BIKEDie Geometrie des neuen Canyon Lux Trail CFR.Foto: BIKEDie Kennlinien des neuen Canyon Lux Trail (Hinterbau: Rot / Gabel: Blau): Der Hinterbau besitzt eine auffällig hohe Progression, die es erschwert, den vollen Hub zu nutzen. Außerdem ermittelten wir fünf Millimeter mehr Hub, als von Canyon angegeben.Foto: Max FuchsIm Rahmenstaufach des Canyon Lux Trail findet eine langgezogene Werkzeugtasche Platz.
Fazit
Trotz des gewachsenen Federwegs am Heck bleibt das Canyon Lux Trail mehr Marathon-Racer als Trailbike. Abwechslungsreiche und tretlastige Trail-Touren sowie Marathons sind das ideale Einsatzgebiet. Dort glänzt das Leichtgewicht mit sportlichen Tugenden wie Geschwindigkeit und Agilität. - Peter Nilges - BIKE-Testleiter
Foto: Georg GrieshaberPeter Nilges, BIKE-Testleiter.
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.). Die Gewichtung der Punkte in den einzelnen Bewertungskriterien variiert je nach Bike-Kategorie.
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